Mit dem Satz eines Buchs ist es ein wenig wie mit der Typografie. Er ist elementar, wird aber oft kaum als ein spezielles gestalterisches Element wahrgenommen. Vom derart unterschätzten Buchsatz hängt maßgeblich der visuelle Eindruck der einzelnen Seiten ab, zudem ist er entscheidend für die Lesefreundlichkeit eines Textes.

Das Bild oben zeigt den Satz einer Zeitungsseite. Schon beim Betrachten der noch in Blei gesetzten Seite entsteht der Eindruck, dass das Lesen anstrengend werden könnte. Sehr viel Schrift auf engem Raum, nicht umsonst sprach man in den Zeiten, in denen Bilder in Zeitungen noch nicht so häufig vorkamen, von einer «Bleiwüste.»
Am Beispiel lassen sich zwei Phänomene erkennen, die auch bei der Gestaltung eines Buchs eine Rolle spielen: Der Wille (respektive die Notwendigkeit), Papier zu sparen, also möglichst jede Stelle des Papiers zu bedrucken, und die Aufteilung großer Seiten in mehrere Textspalten, um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten.
Wenn das Papier teuer ist
Beginnen wir mit der Sparsamkeit. Auch zu Beginn der 2020er Jahre sind die Papierpreise deutlich gestiegen. Das hängt mit höheren Holzpreisen zusammen, die wiederum mit der menschengemachten Erderwärmung zu tun haben, daneben mit den deutlich gestiegenen Energiekosten. Die Produktion von Papier braucht viel Energie.
Dass Papier teuer ist und Verlage daran sparen, ist allerdings nichts Neues. Solche Preissprünge gab es auch früher schon. Wer heute beispielsweise im Antiquariat Taschenbücher mit Krimis aus den 1960er und 70er Jahren ansieht, wird feststellen, dass diese oft mit geringem Zeilenabstand gesetzt wurden, wobei die Zeilen bis fast an den Rand der Seite reichen.
Das Lesevergnügen wird durch eine derartige Gestaltung arg strapaziert. Aus einer eng bedruckten Seite spricht geradezu der Sparzwang. Entsprechend hat man sie gesetzt. Leider leidet dadurch die Freude am Lesen.
Wichtig für die Lesefreundlichkeit eines Textes ist neben der Auswahl der Schrifttype vor allem dreierlei: Die Schriftgröße, der dazu passende Zeilenabstand und die Länge eine Zeile. Ist die Schrift zu klein, wird das Lesen anstrengend, ebenso, wenn die Zeilen aneinander kleben. Ist die Zeile zu lang, hat sie also zu viele Zeichen und Worte, steigt das Risiko des «Verrutschens» beim Wechsel in die nächste Zeile.
Was eine Buchseite ausstrahlt
Schriftgröße, Zeilenabstand und Zeilenlänge müssen also schon aus Gründen einer guten Lesbarkeit zueinander passen. Die nächste Frage lautet: Welchen Eindruck soll eine Buchseite machen? Soll sie sparsamkeitsgetriebene Enge verbreiten (die auch als Papiergeiz interpretiert werden kann), oder Großzügigkeit als eine Art Wohlwollen gegenüber den Leserinnen und Leser? Und dann stellt sich noch die Frage nach der Ästhetik einer Buchseite. Auch die ist Ergebnis des Buchsatzes.

Die oben abgebildete Gutenberg-Bibel veranschaulicht, was gemeint ist: Der Text des großformatigen Buchs ist lesefreundlich in zwei Kolumnen gesetzt, der Satzspiegel (der vom Fließtext beanspruchte Raum auf einer Seite) ist großzügig mit relativ viel Weißraum gestaltet. Der Zeilenabstand lässt erkennbar Raum zwischen den einzelnen Zeilen und wirkt nicht gedrängt. All das ist Ergebnis eines gelungenen Seitenlayouts, respektive eines guten Buchsatzes.
Diese von Gutenberg verwirklichten Grundregeln der Seitengestaltung haben bis heute prinzipiell Gültigkeit. Zwar halten sich bei weitem nicht alle Buchgestalter an historische Layoutregeln wie den Goldenen Schnitt oder den Villardschen Teilungskanon, bis heute gilt jedoch, dass der Weissraum in der Mitte eines Buch bestenfalls am engsten, unten dagegen am großzügigsten bemessen ist. Allerdings: Jedes Buchprojekt ist wieder anders, letztlich entscheidet der Gesamteindruck einer (Doppel-)Seite.

Innerhalb dieses Seitenlayouts (Satzspiegels) gilt es – je nach dem Format eines Buchs – Schriftgröße und Zeilenabstand so zu wählen, dass ein ästhetisch gelungener Gesamteindruck entsteht und gleichzeitig die Lesbarkeit gewährleistet bleibt. Das folgende Beispiel zeigt zwei Varianten der Umsetzung auf einer Doppelseite eines großformatigen Buchs.

Die Breite der Textkolumnen auf der linken und der rechten Seite kommen der Lesbarkeit trotz ihrer unterschiedlichen Breite zugute. Beide Varianten sind weder zu breit noch zu schmal. Beide bewegen sich im Rahmen. Der Zeilenabstand ist eng genug, um nicht ausgefranst zu wirken, zugleich aber nicht zu eng, als dass das Lesen als zu anstrengend empfunden würde (mehr zum Beispiel «Graubünden schreibt» lesen Sie hier).
Dieselben Kriterien gelten für Texte, die einspaltig gesetzt sind, also so, wie in einem Roman beispielsweise. Das folgende Bild zeigt eine Doppelseite aus «Die Renaissance der Seife».

Auch in diesem Beispiel wurden die klassischen Regeln für den Satzspiegel berücksichtigt, wenn auch in etwas abgeschwächter Form. Auch wenn der Weißraum an den Rändern jeweils nicht ganz so breit ist wie in der Gutenberg-Bibel, folgt das Layout dennoch den klassischen Proportionen. Das Gesamtbild wirkt großzügig und der Text ist gut lesbar.
Bei diesem Band bot es sich an, die Titelschrift des Umschlags auch für die Kapitelüberschriften zu verwenden. Der Satz von Kapitelnummer, Kapitelüberschrift und Untertitel lässt jeweils genug Weißraum, sodass der Beginn des Kapitels nicht überfrachtet wirkt.
Eine Satzvariante aus der angelsächsischen Tradition ist im sogenannten Kolumnentitel zu sehen. Im gezeigten Buch stehen auf den weiteren Seiten links oben in Kapitälchen gesetzt jeweils der Buchtitel, rechts der Titel des jeweiligen Kapitels. Das ist vor allem bei Sachbüchern sinnvoll, um Orientierung innerhalb eines Bands zu gewährleisten.
Im Buch «Graubünden schreibt», welches 25 Autorinnen und Autoren vorstellt, wird der Kolumnentitel für den jeweiligen Namen verwendet und mit einer feinen Linie abgetrennt.

All das ist optional und sollte vor allem stets zur Publikation passen. Nicht alles, was in einem Buch hübsch aussieht, ergibt in einem anderen auch Sinn. Letztlich besteht die Kunst des Buchsatzes darin, dem jeweiligen Werk einen passenden, glaubwürdigen und stimmigen Auftritt zu verleihen.
Bildnachweise: Satz einer Zeitungsseite: public domain; Gutenberg-Bibel: NYC Wanderer (Kevin Eng), cropped, licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic; Satzspiegel: Metoc, licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Lektorat, Korrektorat, Buchsatz, Coverdesign, Buchproduktion für Selfpublisher und kleine Verlage in der deutschsprachigen Schweiz, in Deutschland und Österreich: Wolfgang Frey, 8888 Heiligkreuz (Mels), freier Lektor des Qultur-Verlags.


